Grußwort des SPD-Landesvorsitzenden Dr. Nils Schmid auf der DGB-Bezirkskonferenz in Stuttgart am 30. Januar 2010
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Grußwort des SPD-Landesvorsitzenden Dr. Nils Schmid auf der DGB-Bezirkskonferenz in Stuttgart am 30. Januar 2010
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
vielen Dank für die Einladung zu eurer Bezirkskonferenz, der ich einen guten und erfolgreichen Verlauf wünsche.
Ich möchte in meinem Grußwort – fünf Minuten, hat man mir gesagt – nur einige Positionen kurz anreißen, wie wir, die SPD Baden-Württemberg, in die Offensive für eine Politik für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kommen wollen. Zuerst möchte ich mich aber ganz herzlich bedanken: Bedanken bei Dir, lieber Rainer Bliesener, für deine kämpferische Arbeit als Vorsitzender des DGB, aber auch für Deine Treue zur Sozialdemokratie und Dein langjähriges Engagement in unserer Partei, das Du zum Beispiel im SPD-Landesvorstand von 1999 bis 2007 und dabei auch als kooptiertes Mitglied unseres Präsidiums eingebracht hast.
SPD und Gewerkschaften: Gemeinsame Aufgaben mehr denn je
Du hast Dich dabei immer mit vollem Herzen für eine Politik im Interesse der arbeitenden Menschen stark gemacht und dabei – da verrate ich ja sicher kein Geheimnis – aus Deinem Herzen auch keine Mördergrube gemacht. Es gab dabei viele Gemeinsamkeiten und Erfolge, aber natürlich gab es bekanntlich auch Meinungsverschiedenheiten. Das ist auch grundsätzlich nichts Unrühmliches, schließlich sind die Gewerkschaften nicht der verlängerte Arm der SPD wie die SPD nicht der verlängerte Arm der Gewerkschaften ist. Aber eines ist klar: Wir haben nicht nur gemeinsame Wurzeln in der Arbeiterbewegung, sondern wir haben auch heute noch – ja vielleicht mehr denn je, wenn wir gegen die Auswüchse der Wirtschafts- und Finanzkrise kämpfen – gemeinsame Aufgaben und Ziele, denen wir in den vergangenen Jahren wohl zu wenig Beachtung schenkten.
Soziale Gerechtigkeit, Arbeit in Würde, das Recht auf selbstbestimmtes Leben – das sind doch die gemeinsamen Werte und Ideale, für die wir zusammenrücken müssen und für die wir Seit‘ an Seit‘ marschieren sollten. Von daher freue ich mich, dass wir auf unserem Landesparteitag im November an eine bewährte Tradition angeknüpft haben und in unserer Reihe der stellvertretenden SPD-Landesvorsitzenden mit Leni Breymeier wieder eine streitbare Gewerkschafterin haben, die die kämpferische Arbeit von Rainer Bliesener mit Sicherheit fortsetzen wird – und die im Landesvorstand etwa von den aktiven Gewerkschaftern Rudolf Luz und Udo Lutz begleitet wird. Und ich möchte schon jetzt sagen, freilich ohne eurer Konferenz vorzugreifen: Lieber Nikolaus Landgraf, ich würde mich über ein gutes Miteinander und ein enges Zusammenwirken sehr freuen, alles Gute für die bevorstehenden Aufgaben!
Und dabei will ich gerade auch heute, an dieser Stelle eines klar machen: Wo wir von Seiten der SPD in den letzten Jahren Fehler gemacht haben, wo wir uns mit den Gewerkschaften zu wenig abgestimmt haben, wo es Enttäuschungen gab, da gibt es mir keine Denkverbote. Wir haben Fehler in der Sozialgesetzgebung und bei Hartz IV gemacht. Es ist nicht gut, dass das Bundesverfassungsgericht uns sagen musste, dass die Bedarfssätze vor allem bei Kindern nicht ausreichen. Und ich sage euch zu: Diese Landes-SPD und ich werden sich in der Bundespartei dafür einsetzen, dass es eine offene Diskussion darüber gibt, wie wir die notwendigen Korrekturen vornehmen können – bei den Hartz-Gesetzen, bei der Altersteilzeit, bei der Leiharbeit, wo wir als SPD Baden-Württemberg ja schon einen guten Anfang gemacht haben. Ich biete da ausdrücklich Gesprächsbereitschaft an.
Offensive Politik für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine offensive Politik für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist dringend angesagt – nicht allein wegen der Wirtschafts- und Finanzkrise, die in unserem industriell geprägten Land besonders zugeschlagen hat, wie wir dieser Tage ja wieder an der überdurchschnittlich gestiegenen Zahl der Arbeitslosen im Januar feststellen konnten. Sondern weil wir nun im Land wie im Bund einer schwarz-gelben Regierung gegenüberstehen, die entweder die falschen, oder gar keine Weichen stellt, um diese Krise durchzustehen.
Ich will dies nur noch einmal an einem Beispiel festhalten, um auch die enormen positiven Leistungen der SPD in der Bundesregierung zu verdeutlichen: Es war Arbeitsminister Olaf Scholz, der sich nicht nur für den flächendeckenden Mindestlohn, sondern erfolgreich für die Verlängerung der Kurzarbeit eingesetzt hat, von der wir heute in Baden-Württemberg wie kein anderes Bundesland profitieren. Die neue Bundesregierung darf nun aber nicht dabei stehen bleiben! Es ist jetzt geboten, auch die Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge bei der Kurzarbeit zu verlängern. Ohne diese gleichzeitige Verlängerung tritt nämlich das ein, was gerade bei uns katastrophale Folgen hätte: Viele Unternehmen könnten sich ab Ende 2010 die Kurzarbeit nicht mehr länger leisten – und dem gilt es, entgegenzuwirken, liebe Kolleginnen und Kollegen! Außerdem muss man darüber nachdenken, den Vorschlag von Jörg Hofmann und der IG Metall aufzugreifen, die Wochenarbeitszeit zu verkürzen, um in der Krise Beschäftigung zu sichern.
Was die Landespolitik betrifft, so bleiben wir dran an unserer Forderung nach staatlicher Intervention für Industriearbeitsplätze in Baden-Württemberg. Und ich freue mich ausdrücklich, dass auf der vergangenen CDU-Klausur mit Berthold Huber beim designierten Ministerpräsidenten Mappus offenbar die Erkenntnis gereift ist, dass die schon vor langer Zeit vorgelegten SPD-Vorschläge einer Mittelstandsanleihe, eines Baden-Württemberg-Fonds und eines Kreditmediators richtige Maßnahmen sind, um diese Krise zu bestehen. Herr Mappus, vielleicht sollten sie öfters mit den Gewerkschaften und mit der SPD reden; sie sollten dann aber nicht nur zuhören, wie dass Herr Oettinger getan hat, sondern auch entsprechend handeln!
Wir wissen: Sowohl die Eigenkapitalschwäche, als auch der Fremdkapitalzugang sind in dieser krisenhaften Situation der Industrieunternehmen Gefährdungen der Arbeitsplätze an sich. Deshalb will ich es nochmals betonen: Wir brauchen eine von der Landesbank aufgelegte Mittelstandsanleihe, die als Solidarpakt kurz- und mittelfristig für die kleinen und mittleren Unternehmen fungiert. Wir brauchen einen Baden-Württemberg-Fonds in Höhe von einer Milliarde Euro – übrigens auch eine Forderung der IG Metall –, um Beteiligungen an eigenkapitalgeschwächten, aber grundsätzlich wettbewerbsfähigen Unternehmen eingehen zu können.
Regulierung der Finanzmärkte und starker Staat
Bei allen Bemühungen, die Beschäftigungskrise zu lindern, dürfen wir aber die Ursachen für die Finanzmarktkrise nicht vergessen: der entfesselte Finanzkapitalismus! Deshalb kommt es jetzt darauf an, die Regulierung der Finanzmärkte voranzutreiben. Nachdem in den USA, Großbritannien und Frankreich Maßnahmen ergriffen worden sind, um über Bonus-Sondersteuern oder spezielle Abgaben die Banken an ihrer Rettung durch den Staat zu beteiligen, ist es höchste Zeit, auch in Deutschland zu handeln. Den dauernden Verweis auf internationale Abstimmungsprozesse, Monitoring und Evaluierung versteht kein Mensch! Und im Übrigen muss es angesichts der Milliarden für die Bankenrettung möglich sein, auch für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes eine angemessene Lohnerhöhung zu beschließen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dies sind nur einige aktuelle Kernpunkte, die die SPD im Dienste einer offensiven Arbeitnehmerpolitik angeht. Vieles wäre darüber hinaus noch zu sagen; etwa über das fatale Schuldenbeschleunigungsgesetz, das allein im Landeshaushalt eine Lücke von über 670 Millionen Euro im Jahr aufreißt – und die Bundesregierung diese Steuergeschenke nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen wieder über höhere Sozialabgaben einkassieren wird. Vieles wäre noch zu sagen über notwendige Zukunftsinvestitionen, über die Forcierung neuer Technologien, eine familienfreundliche Politik und Chancengleichheit in der Bildung. Wir brauchen den handlungsfähigen Staat und leistungsfähige Kommunen. Es darf nicht sein, dass das, was den Menschen jetzt über die Kindergelderhöhung gegeben wurde, von den Kommunen wieder über höhere Kindergartengebühren genommen werden muss. Gemeinsam kämpfen Sozialdemokraten und Gewerkschafter für einen starken Staat, der die Schwachen schützt, der in der Krise stark ist als Sozialstaat, der in die Zukunft bei Bildung und Betreuung investiert, der die Verkehrsinfrastruktur ausbaut und die kommunale Dienstleitungsvorsorge stärkt.
Ich danke euch, alles Gute!
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